Bei meinen Arbeiten „U-Bahn Spiegelungen“ fotografiere ich in München die U-Bahnstationen Marienplatz, Münchner Freiheit und die Stachuspassagen. Alle diese „Nicht-Orte“ entwarf der Münchner Lichtkünstler Ingo Maurer. Bezeichnend für diese Untergeschosse ist die Spiegelung der Decke zum Boden. Durch die Spiegeldecken entsteht eine künstliche Raumvergrößerung. Es findet sozusagen eine Dopplung des Raumes statt. Durch das Ebenbild oder durch die Dopplung an der Decke potenziert sich das Geschehen und das rege Treiben der U-Bahnstation in seiner Wirkung. Erfahrungsgemäß sind U- Bahnstationen sehr belebt. Die große „Nicht-Ort“, quasi Transitzone wird in Stoßzeiten von Personenmassen schwallartig geflutet und entleert sich nachdem die Züge die Menschenmassen in sich aufgesogen haben. Diese Funktionsräume sind für große Menschenmengen konstruiert. Diese „Nicht-Orte“ zeichnen sich durch eine einheitliche (Formen und Materialien), sterile und funktionsorientierte Gestaltung aus. Charakteristisch ist eine anonyme Atmosphäre. Individualität findet man hier unter Umständen nur in Form von Straßenmusikern oder Graffities an den Wänden. Hierdurch ergibt sich ansatzweise ein Übergang des „Nicht-Ort“ zum Ort. Sobald sich die Menschen in einem Bewegungsstrom befinden, bildet sich aus den Individuen eine anonyme Masse. Dieser Prozess ist nicht abgrenzbar, sondern es finden fließende Übergänge statt. In meinen Bildern „U-Bahn Spiegelungen“ sehen wir eine Leere und Abwesenheit von Menschen. Die Bilder wurden in einer Zentralperspektive, mit einer weiten Ansicht von Boden, Decke und Umgebung aufgenommen. Die Bilder wirken durch ihre horizontalen und vertikalen Linien sehr statisch und konstruiert. Sie weisen somit ein gewisses Ordnungssystem auf. Jedes Element des Untergeschosses trägt die gleiche Schärfe. Somit beinhalten die Bilder keine Tiefenschärfe. In den Aufnahmen ist nur die künstliche Halogenbeleuchtung des Untergeschosses zu sehen. Der Betrachter kann nur vermuten um welche Tages- oder Nachtzeit es sich handeln könnte. Bei genauerer Betrachtung der Bilder wird klar, dass etwas nicht stimmt. Eine Irritation, eine fake Situation, die im realen Leben nicht stattfinden kann wird in den Fotografien gezeigt. Auf den zweiten Blick entdeckt der Beobachter eine Spiegelung von Personenumrissen an der Decke. Es machen sich Schatten von Personen an der Decke bemerkbar, die in den abgelichteten Räumlichkeiten jedoch nicht wieder zu finden sind. In den Bildern schwingt eine ungewohnte, irritierende Stimmung, ein Gefühl von Mystik, Grusel oder auch Erhabenheit mit. Die Situation ist nicht klar definierbar. Die Fotos wurden digital in Photoshop nachbearbeitet. Personen, die während der Aufnahme noch vor Ort waren, wurden am Boden weg retuschiert. Das leer retuschierte Treiben am Boden bleibt jedoch in der Deckenspiegelung vollständig erhalten. Die Farbigkeit der Bilder wurde weder nachgesättigt, koloriert noch verändert. Das Gefühl und die lebendige Stimmung, die normalerweise durch viele Menschen im Raum mitschwingt, leuchte ich in meinen Arbeiten aus. Ich setze mich mit Fragen auseinander: „Inwieweit verliert ein Ort seine Funktion, durch die Abwesenheit von Menschen? Ab wann verändern belebte Orte ihre Aura, ihren Funktionsort und werden identitätslos?“ Diese erste Auseinandersetzung durch Beobachtung, Fotografieren und dem digitalen Nachbearbeiten waren ein Versuch, ein Start, aber vor allem eine Recherchearbeit für mein darauf folgendes Thema „Schwarmverhalten“. Diese Arbeit und die damit verbundene Thematik „Verzeichnungen von Prozessen“ werde ich in Punkt zwei näher erläutern. Ab diesem Zeitpunkt skizzierte und notierte ich mögliche „Verzeichnungen“ von Bodenwegen.